Gesprächsführung mit Kindern

20.10.2020

Ein Bericht von Annett Freudiger und Frances Fuhr

 

Sucht ein Kind das Gespräch mit uns, dann ist es maßgeblich davon abhängig, wie wir das Gespräch gestalten, welche Atmosphäre wir schaffen und vor allem wie wir uns verhalten. Der dänische Film „Die Jagd“ mit Mads Mikkelsen aus dem Jahr 2012 verdeutlich sehr beeindruckend, welche Auswirkungen eine unreflektierte Gesprächsführung durch Erwachsene haben kann. Durch die Aussage eines Mädchens aus der Kindergartengruppe über ihren Erzieher entstehen Interpretationen durch die Kitaleitung, die eine ganze Kleinstadt aufwühlen und das Leben des Erziehers ins Wanken bringen. [1]

Doch wie gehen wir damit um, wenn wir Aussagen von Kindern hören, die bei uns negative Assoziationen hervorrufen? Wenn ein Kind mit uns das Gespräch suchen will und die Zeit sitzt uns im Nacken?

Das Buch „Sag mir mal …“ – Gesprächsführung mit Kindern von Martine F. Delfos beschreibt praxisorientiert, wie Gesprächsführung mit Kindern gelingen kann und welche Grundlagen wir beachten sollten.

 

Zwischen Erwachsenen und Kindern besteht ein wichtiges Machtgefälle.

 

Einer Sache müssen wir uns immer bewusst sein: es existiert von Natur aus ein Machtgefälle zwischen Kindern und Erwachsenen und damit müssen wir verantwortungsvoll umgehen. Jede Geste, jedes Wort, jede Reaktion wird von Kindern mit ihren sensiblen Antennen für uns wahrgenommen. Die Art, wie wir fragen, kann sozial erwünschte Antworten auslösen. Der Blick auf die Uhr oder das Vollenden der Sätze eines Kindes signalisiert, dass meine Zeit wichtiger ist als die des Kindes. Vorschnelle Interpretationen können gut gemeint sein, aber das Kind in eine ungewollte Richtung schicken, da Kinder selten den Erwachsenen korrigieren.

Der polnische Arzt und Pädagoge Janusz Korczak betonte, „wie wichtig es ist, Respekt vor der Eigenart der Kinder zu haben und als Erwachsener eine andauernde Haltung der Verwunderung einzunehmen statt einer – ungerechtfertigten – Allwissenheit über das was in einem Kind vor sich geht.“[2]

Die Frage ist nicht, ob Kinder eine Meinung haben oder über Informationen verfügen, sondern wie wir mit den Kindern kommunizieren können, um diese Meinung zu erfahren oder die Informationen unterhalten.

 

Dazu beschreibt Delfos in ihrem Buch unter anderem folgende Kommunikationsbedingungen:

  • Blickkontakt auf derselben Augenhöhe
  • Für eine Wohlfühlatmosphäre sorgen
  • ZUHÖREN und spiegeln, um zu signalisieren, dass man das Kind verstanden hat
  • Dem Kind sagen, dass es sagen soll, was es findet oder möchte, weil man es sonst nicht weiß
  • Spielen und Reden möglichst kombinieren
  • Wenn die Aufmerksamkeit beim Kind nachlässt, dann Gespräch abbrechen und signalisieren, dass es später fortgesetzt wird

 

Und wenn gerade keine Zeit ist, weil man allein für die ganze Gruppe verantwortlich ist? Dem Kind in der Kommunikation zu benennen was man fühlt, wahrnimmt oder tut, ist ein wichtiges Element der Metakommunikation, die den Gesprächspartnern einen Rahmen gibt.

„Ich habe das Gefühl du möchtest mir etwas ganz Wichtiges erzählen. Das finde ich toll und dafür werde ich mir Zeit nehmen, wenn …“ Dem Kind in einer ungünstigen Situation vermitteln, dass es gehört wird und dass es wichtig ist mit seinem Bedürfnis ist oftmals ausreichend um bei der nächsten passenden Gelegenheit wieder aufzugreifen und unter besseren Bedingungen zu führen.

Besonders in Bezug auf kinderschutzrelevante Inhalte sind metakommunikative Elemente unverzichtbar in der Gesprächsführung. Dem Kind sollten Gesprächsziele und Inhalte immer verdeutlicht werden. Regelmäßige Hinweise an das Kind, dass man als Erwachsener eine Rückmeldung vom Kind braucht, ob man es richtig verstanden hat, signalisieren dem Kind, dass es alles sagen darf auch wenn es damit den Erwachsenen kritisiert. Aber auch der Hinweis, dass es schweigen darf ist wichtiger Bestandteil für ein gutes Vertrauensverhältnis.

 

Kommunikation bedeutet Kontakt.

 

Wer sich vertiefend mit dem Thema beschäftigen möchte findet das Buch „Sag mir mal…“ in unserer Fachbibliothek. Für Mitarbeiter*innen von SOCIUS werden regelmäßig Workshops rund um das Thema Gesprächsführung angeboten. Ein Blick in den Veranstaltungskalender lohnt sich.

 

 

[1] Die Jagd (2012), Universum Film GmbH, ISBN-13: 0887654837592.

[2] Delfos, Martine F. (2015): Sag mir mal. Gesprächsführung mit Kindern. 4.12 Jahre. 10. Überarbeitete und erweiterte Auflage. Beltz Verlag. Weinheim Base.

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