Aktivitäten und Events

Widerstand im Gespräch beim Verdacht auf Kindeswohlgefährdung

31.05.2018

Inhouse- Fortbildung „Aufwachsen im Wohlergehen“–
Schwierige Elterngespräche führen
Mai 2018

Annett Freudiger und Frances Fuhr

 

 

Material:

Widerstand im Gespräch [1]

Wenn wir mit Eltern ein Gespräch über einen Verdacht über eine vorliegende Gefährdung führen müssen, ist nicht davon auszugehen, dass sie sofort Hilfebedarf einräumen oder benennen, dass es den eigenen Kindern nicht gut geht. Eltern gehen in der Regel davon aus, dass sie gut für ihr Kind sorgen, ihr bestes in ihrer Elternrolle geben und ihr Kind lieben. So ist es durchaus nachvollziehbar und verständlich, wenn Eltern sich angegriffen, in ihrer Elternrolle in Frage gestellt und abgewertet fühlen, sobald eine Gefährdung ihrer Kinder im Raum steht. Die Reaktion ist oft das, was wir gerne al Widerstand beschreiben. Die Eltern widerstehen unserem Anliegen, etwas zu besprechen und etwas verändern zu wollen.

Widerstand ist als Signal zu verstehen. Oft ergeben sich wichtige Hinweise, wenn geklärt wird, was dahinter steht und welche Beweggründe die Eltern dafür haben. Häufig hat Widerstand etwas mit der Beziehung und Art und Weise, wie die pädagogische Fachkraft das Gespräch führt, zu tun. In diesem Fall muss zunächst geklärt werden, was in der Eltern- Fachkraft- Beziehung nicht stimmt, und ob es diesbezüglich noch einer Klärungs- oder Aufklärungsarbeit bedarf. Manchmal sind es auch frühere negative Erfahrungen der Eltern, die sie zunächst vorsichtig stimmen in der Erwartung, dass der Kontakt wieder nicht positiv verläuft.

Widerstand im Gespräch ist individuell verschieden und erfordert eine auf die Familie individuell zugeschnittene Gesprächsführung. Die pädagogische Fachkraft ist in der der Gesprächsführung immer auch besonders herausgefordert, fachliche Kompetenzen mit ihren persönlichen Sozialkompetenzen zu verknüpfen und authentisch zu sein. Eine Eltern- Fachkraftt- Beziehung ist etwas sehr persönliches. Eltern wollen von ihrem Gegenüber Menschliches und nicht nur fachliche Kompetenz erleben. Dafür, wie Widerstand im Gesprächsverlauf begegnet werden kann, gibt es kein Rezept. Dies ist vielmehr ein sensibles Einfühlen und muss individuell zu den Eltern, als auch zur Fachkraft passen. Dafür ist eine hohe Fachlichkeit, welche eine kompetente Selbst- Reflexion der Fachkraft voraussetzt, erforderlich.

Möglichkeiten zum Umgang mit Abwehr und Widerstand:

  • Reflexion
  • Fokus auf das Kind richten
  • Unterschiedliche en wahrnehmen und offen aussprechen

1. Reflexion

Widerstand bei den Eltern muss aufgenommen und angesprochen werden. Es ist wichtig ihn anzuerkennen und ihm Platz einzuräumen. Oft gibt es dafür nachvollziehbare Gründe, für die die Fachkraft Verständnis entgegen bringen muss, um dann an einer Auflösung arbeiten zu können.

  • „Ich habe den Eindruck, dass es Ihnen schwerfällt, sich auf unser Gespräch einzulassen- das ist ja auch ganz schön schwierig. Gerne möchte ich verstehen, was Sie bewegt. Welche Gedanken, Befürchtungen oder Vorbehalte haben Sie?“
  • „Das ist verständlich, dass Sie Ärger verspüren. Was kann ich tun, damit dieser kleiner wird?“
  • „Bei den meisten von uns schlagen zwei Herzen in der Brust. Vielleicht ist es bei Ihnen auch so und Sie sind einerseits wütend und wollen nicht mit mir reden, andererseits haben Sie sich vielleicht schon Gedanken darüber gemacht, dass Sie entlastet werden wollen. Wie ist das bei Ihnen? Erzählen Sie mir bitte von Ihren widerstreitenden Gedanken.“
  • Ich kann mir vorstellen, dass das jetzt eine ziemlich blöde Situation für Sie ist. Bitte lassen Sie Ihren Ärger heraus- danach können wir uns in Ruhe darüber unterhalten.“

2. Fokus auf das Kind richten

Bei Widerstand kann es hilfreich sein den Fokus verstärkt auf die Bedürfnisse und Anliegen des Kindes zu richten, schließlich geht es darum gute Wege und Lösungen für das Kind zu suchen und zu finden.

Wichtig ist für Eltern die Botschaft, dass sie von der Fachkraft als Eltern mit ihren Rechten und Pflichten anerkannt und geachtet werden, ebenso wie der Umstand, dass es der Fachkraft um die Gefühle und das Befinden des Kindes geht.

  • „Es geht um ihr Kind. Was braucht es, damit es ihm gut geht?“
  • „Ich mache mir Sorgen darum, dass Ihr Kind wegen seiner Ängste Nachteile im Kontakt mit anderen Kindern hat. Es wäre schön, wenn Ihr Kind wieder freier sein könnte. Was können wir gemeinsam dazu tun?“
  • „Wir wollten nun wieder zurück zu Ihrem Kind kommen. Wie erklären Sie sich sein Verhalten?“
  • „Ich kann gut nachvollziehen, dass Sie nun verärgert sind, trotzdem sollten wir darüber nachdenken, wie sich Ihr Kind in der augenblicklichen Situation fühlt und welche Lösungen es entlasten könnten.“
  • „Mir geht es nicht darum Sie zu beschuldigen oder als Eltern an den Pranger zu stellen. Es geht darum wie die Umstände so verändert werden können, dass es Ihrem Kind gut geht und es sich gut entwickeln kann.“

 

3. Unterschiedliche Sichtweisen wahrnehmen

Es ist grundsätzlich angebracht, den Sichtweisen der Eltern Gewicht zu geben und sie gründlich abzufragen. Häufig legt sich Abwehr, wenn Eltern verstehen, dass ihre Sicht auch wahrgenommen wird und es nicht unweigerlich zum Konflikt mit der Fachkraft kommt, wenn diesbezüglich Unterschiede bestehen. Eltern fühlen sich dann ernst genommen und können in ihrer Verantwortung als Eltern in die Einschätzung einbezogen werden. Zunächst einmal können beide Wahrnehmungen nebeneinander gestellt werden, sie dann in einem zweiten Schritt abzuwägen und ins Verhältnis mit den Bedürfnissen des Kindes zu stellen. Es sollte zunächst keine Bewertung durch die Fachkraft erfolgen, sondern eine durch aktives Zuhören gewonnene Wahrnehmung der elterlichen Sichtweise.

  • „Mir ist es wichtig, Ihre Sichtweise kennen zu lernen. Bitte beschreiben Sie mir, wie Sie die Lebensumstände ihres Kindes einschätzen.“
  • „Es ist für mich nachvollziehbar, dass Sie aus Ihrer elterlichen Sicht die Dinge anders sehen, ich betrachte es aus meiner Sicht als ErzieherIn. Welche Übereinstimmungen oder Ähnlichkeiten sehen Sie in Ihrer und meiner Einschätzung?“
  • „Um Sie auch richtig zu verstehen, beschreiben Sie bitte genau, warum Sie die Situation Ihres Kindes so sehen.“

[1] Alle, Friederike (2017): Kindeswohlgefährdung. Das Praxishandbuch. 3. aktualisierte Auflage. S. 92 ff.

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