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Vom “Ich” zum “Wir”

29.10.2020

Ein Beitrag von A. Rabe

Nach dieser langen Coronazeit, in der die Kinder ihre Klassengemeinschaft so lange nicht erleben konnten, war zunächst von einem Klassengefühl, vom Gefühl füreinander, nicht viel zu spüren.
Es gab einige Auseinandersetzungen, in der lösungsorientiertes oder kompromissbereites Handeln im Vordergrund standen. Ich hatte den Eindruck, die Kinder suchten nach so einer langen Zeit ihren Platz in der Gruppe.

Grenzen fühlen, erkennen und respektieren

Um das „Wir-Gefühl“, das Verständnis und das Verantwortungsgefühl füreinander zu stärken, starteten wir die erste soziale Stunde mit dem Thema: „Grenzen fühlen, erkennen und respektieren“. Die Ausgangslage hierfür war ein Konflikt, in dem einzelne Kinder unserer Klasse über die Grenze eines anderen Kindes unserer „Klassenfamilie“ gingen.

Mithilfe einer Übung, in der sich die Kinder gegenüber standen und ein Kind auf das andere zulief, bis es „Stopp“ sagte, fühlten die Kinder die eigenen Grenzen, die Grenzen des Gegenübers und stellten fest, dass jeder eine andere „Grenze“ hat.

Im nächsten Teil der Übung ging es darum, bewusst zu fühlen wie es ist, wenn jemand diese Grenze nicht respektiert.
Sie sollten über das „Stopp“ hinaus weiter auf den anderen zulaufen.

 

Mit dieser Übung wurde klar, dass es sich gar nicht gut anfühlt, wenn nicht gehört wird und die eigene Grenze überschritten wird. Einige Kinder fühlten sich ihrer Aussage nach hilflos und bedrängt.

Dieser Perspektivwechsel regte nun den Gedanken an: „So fühlt sich mein Gegenüber“.
Im Rückschluss stellten die Kinder also fest, dass sie sich so nicht fühlen wollen.
Nun, jetzt wo wir wussten, wie wir uns in unserer Klassenfamilie nicht fühlen oder behandelt werden wollen, galt es herauszufinden, wie wir denn miteinander umgehen wollen.

In der folgenden Sozialen Stunde malten die Kinder zunächst einen Umriss ihrer Hand auf ein Blatt und schnitten diese aus.

Sie sollten beschreiben, wie sie behandelt werden wollen und schrieben diese Worte in ihren Handabdruck. Einigen Kindern gelang das sehr gut. Sie beschrieben deutlich, dass sie freundlich behandelt werden wollen, dass sie nicht gehauen werden wollen und dass sie sich wünschen zum gemeinsamen Klassenspiel eingeladen zu werden.

Jedoch fiel mir auf, dass der Mehrheit der Klasse diese Übung noch schwerfiel, weil ihnen beschreibende Worte fehlten.
Und so erstellte ich für die nächste Stunde einige Wortkarten mit passenden Adjektiven.

Das Ziel dieser Stunde war es herauszufinden: „Wie bin ich?“, „Was für Eigenschaften habe ich?“

Diese Übung sollte den Kindern einen erweiterten, beschreibenden Wortschatz über sich und die Kinder geben, damit sie davon ausgehend, noch besser beschreiben konnten, wie sie zukünftig miteinander umgehen wollen.

Damit sollte das Verständnis füreinander gestärkt werden.

Für diese Übung saßen die Kinder im Kreis zusammen.
Alle Kärtchen lagen gut lesbar für alle in der Mitte.
Nacheinander sollten sie nun ihre Adjektivkarten vor sich hinlegen, welche sie ihrer Meinung nach am besten beschrieben.
Die Karten wurden so platziert, dass sich ein Weg ergab, der zur Gruppe hinführte.

Nun sollte jedes Kind diesen Weg Schritt für Schritt bis hin zur Gruppe laufen und dabei laut seine ausgewählten Adjektive vorlesen.
Danach hatten alle Kinder die Möglichkeit, noch Adjektive zu ergänzen, die ihrer Meinung nach auf das Kind zutrafen.

So stellte sich eine warme, stärkende Atmosphäre ein, die jedem Kind ein positives Gefühl gab.
Nun, so kurz vor den Herbstferien habe ich den Eindruck, dass sich unsere Klassenfamilie wiedergefunden hat.

Ich denke, dass sich der Blick der Kinder füreinander deutlich verändert hat.
Ihr Verständnis füreinander wurde gestärkt und sie sind näher zusammengerückt.
Wir befinden uns auf einem spannenden Weg, der für uns Aufgaben und vor allem Lösungen bereithalten wird.

Ich freue mich darauf, diesen Weg gemeinsam mit ihnen weiterzugehen und bin dankbar, dass ich ein Teil dieser Klasse sein darf.

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