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07.03.2016

int_karin_brunnermeier_03Mit anspruchsvollen künstlerischen Ferienprojekten hat das Team von Karin Brunnermeier für SOCIUS von Beginn an viele Kinder zu erstaunlicher Schaffenskraft angespornt und dabei LehrerInnen und Eltern beeindruckende Ergebnisse präsentiert.
Über ihre Rolle als Koordinatorin der Ferienprojekte sprach Karin Brunnermeier mit Christina Cassim.

Wie kommst du als ausgebil­dete Künstlerin zu der Begleitung und Entwicklung von Schulprojekten?
Die Schnittstelle zwischen Kunst, Psychologie und Pädagogik beschäftigt mich schon sehr lange. Bereits während meines Kunststudiums besuchte ich Weiterbildungen in Systemischer Familientherapie. Dort konnte ich erste Erfahrungen in der Einzel- und Gruppenarbeit gewinnen. Nach einigen Jahren in der Erwachsenenarbeit tauchte verstärkt der Wunsch auf, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. In diesem Zeitraum lernte ich über einen Zufall auch Maria Pfennig kennen und hatte die Chance, ein Projekt an einer Grundschule umzusetzen. Nachdem das Angebot guten Anklang fand, wurde ich gebeten, weitere Ideen für Projektwochen zu sammeln und ein Konzept zu entwickeln.

Was bildet die Grundlage für das Konzept der Projektwochen?
Im Zentrum steht der gebündelte Einsatz von Fachkräften, die Kurse zu einem übergeordneten Thema anbieten, welches für alle Kinder spannend ist. Nach Möglichkeit werden die Kurse gemeinsam mit den ErzieherInnen des Ganztags umgesetzt. Nach diesem Prinzip können wir Projekte in einem Zeitrahmen von einem Tag bis zu anderthalb Wochen anbieten, sowohl für die Ferienzeiten als auch innerhalb des Regelbetriebs. Ziel ist es, ein breites und vielfältiges Angebot zu schaffen, das eine Teilhabe aller Kinder ermöglicht. Den Kern bilden handlungs- und bewegungsorientierte Kurse, die durch den Einsatz künstlerischer Methoden den individuellen Ausdruck der Kinder wecken und fördern.

Woher gewinnst du die Kursleiter­Innen für das Angebot?
Es gibt eine Kerngruppe, die von Beginn an die Basis bildet, zu der gehören z.  B. der Kunsttherapeut Ronald Krüger und der Medien- und Sozialpädagoge Marc Seestaedt. Je nach Projektschwerpunkt und dem vorhandenen Budget kann ich zusätzlich auf Personen eines über Jahre gewachsenen Netzwerks zurückgreifen. Diese entstammen vorwiegend den Bereichen Musik, Film, Theater und Tanz.

Worauf achtest du bei der Auswahl der KursleiterInnen?
Sie müssen sich für das kindliche Erleben und den kindlichen Ausdruck in besonderem Maße begeistern können und einen natürlichen Zugang dazu haben. Im Fokus steht ein pädagogischer Auftrag, kein Kunstwerk. Die Kurse müssen spannend und experimentell ausgerichtet sein, aus dem Alltag der Kinder herausstechen und deren Drang nach Forschen und Entdecken beflügeln.

Die Kinder selbst geben die Richtung an, sie sind die Akteure und wir sind dazu da, sie zu begleiten. Es braucht persönliche Reife und Stabilität, um das Projekt mit den Kindern umzusetzen, die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen und durch die eigene Ausstrahlung Vorbild und Orientierung zu geben.

int_karin_brunnermeier_04Wieso eignet sich Kunst deiner Meinung nach so gut für die Arbeit mit Kindern?
Kunst hat starke transformative Fähigkeiten und kann ungeahnte Ressourcen freisetzen. Sie vermag auf einer tiefen Ebene, unsere emotionalen, geistigen, kulturellen und auch lebens­praktischen Fähigkeiten zu erweitern. Das spielt vor allem in der Kindheit eine zentrale Rolle, wo sich unsere Fähigkeiten gerade erst entwickeln. Hier liegt die Weichenstellung für die Entwicklung der Persönlichkeit.

Wie wird das Thema für eine Projektwoche entschieden?
In der Regel werden der Schule mehrere Themen vorgestellt und mit der Hortleitung abgestimmt. Das Thema soll nach Möglichkeit alle Kinder ansprechen und ihre Fantasie beflügeln. Zu unserem Repertoire gehört u. a. „Die Reise ins Zauberland“ oder „Mit dem U-Boot nach Atlantis“.

An der musikbetonten Papageno-Grundschule haben die Kinder z.  B. zum Thema „Musik und Mechanik“ einen „Klangvogel“ im Schulhof gebaut, ein Konstrukt aus Dachlatten, Schläuchen und Klangspielen, mit dem Töne erzeugt werden können.

Wie kam es zu dem Thema „OZEANIEN“ – einem eurer Klassiker?
Da viele Projektwochen im Sommer stattfinden, suchten wir nach einem Thema, dass das Element Wasser beinhaltet. Stimmig ist auch, dass gerade Kinder im Grundschulalter sich den Tieren – und besonders den Meereswesen – sehr verbunden fühlen. Es fällt ihnen leicht, sich mit dem Wal, dem Hai oder einem kleinen Fischlein zu identifizieren und daraus die tollsten Geschichten über Inseln, Korallenriffe, Piratenschiffe und Riesenkraken zu entwickeln.

Ihr arbeitet oft mit sehr großen Formaten. Warum?
Große Formate erfordern einen körperlich betonten Arbeitsansatz, der ein starkes Selbstbewusstsein in den Kindern erzeugen kann. Gerade in den frühen Klassen sind viele Kinder noch nicht in der Lage, ihr Blatt zu füllen und Raum einzunehmen. Sie machen die tollsten Zeichnungen, drücken diese aber schüchtern an den Rand ihres Blattes. Ich erinnere mich an einen Jungen, der sehr gerne Tiere zeichnete. Sie waren genial in ihrem Ausdruck, jedoch brauchte man fast eine Lupe, um sie zu erkennen. Ich schlug ihm vor, eines seiner Tiere ganz groß zu malen. Er fragte: „Wie groß?“. Ich meinte: „Ganz groß! Drei Meter?“ Er war fassungslos und schnappte nach Luft, konnte sich jedoch langsam darauf einlassen. Am Ende hatte er einen Hai in der Länge von zwei Metern, den er während der nächsten Tage unter dem Arm geklemmt pausenlos mit sich herumtrug. Und nicht nur das: Er wurde auch diese zwei Meter! Er gab dem Tier einen Namen und identifizierte sich damit. Am Ende der Woche haben uns seine Eltern angesprochen. Sie waren sehr berührt, weil er so stolz und seine Veränderung so deutlich spürbar war.

Was beinhaltet die Vorbereitung einer Ferienprojektwoche?
Für jede Schule wird im engen Austausch mit der Leitung des Ganztags ein passendes Angebot entwickelt, das sich am aktuellen Bedarf, den vorhandenen Ressourcen und Gegebenheiten vor Ort orientiert. Dazu gehört auch, dass die ErzieherInnen entsprechend ihrer persönlichen Neigungen und Fähigkeiten in das Kursangebot eingebunden werden.

Auch müssen die räumlichen Gegebenheiten geklärt werden. Wo finden welche Kurse statt? Können wir die Turnhalle für eine Aufführung nutzen? Haben wir Mikrofone? Wo bekommen wir Instrumente her? Was brauchen wir für Materialien? Wie viele Plakate brauchen wir? Ist der Elternbrief schon fertig? Reicht das Budget noch? Passen die Kurszeiten zum Schichtbetrieb der ErzieherInnen, etc.

Am Ende sind es unzählige Personen, die an der Vorbereitung und dem Gelingen einer Projektwoche beteiligt sind. Da gibt es den Hausmeister der Schule, der Kabel und Technik zur Verfügung stellt. Da gibt es den Hausmeister von SOCIUS, der jeden Sommer die Pavillons in den Schulgarten bringt, damit wir geschützt vor Regen und Sonne immer im Freien arbeiten können. Da gibt es die Erzieherin, die sich kurz vor dem Abschlussfest noch schnell auf ihr Rad schwingt und eine Wäscheleine kauft, damit die großen Delfine noch besser von der Decke schwingen können. Da ist der Filmemacher, der es erträgt, wenn die Projektleitung sehr streng um einen weiteren Dreh bittet, weil die Geschichte vom kleinen Hans noch in den Gesamtfilm muss.

int_karin_brunnermeier_02Wie wichtig ist ein „Endprodukt“ für das Projekt?
Entscheidend ist, dass die Kinder eine tolle Zeit verbringen, in der sie mit Freude und auf spielerische Weise etwas Neues erleben und erlernen können. Genauso wichtig ist es aber auch, den Kindern von Beginn an ein Ziel vor Augen zu halten, an dem sie sich orientieren können. Das kann die gemeinsame Aufführung eines Theater- oder Musikstücks sein, ein kleiner Tanz, eine Ausstellung, etc. Umwege und Veränderungen sind dabei erwünscht. Wir richten uns danach, was die Kinder können und welche Richtung sie während des Projektes einschlagen. Es ist eine großartige Erfahrung, die individuellen Aktivitäten in einem gemeinsamen Ergebnis aufgehen zu sehen. Viele Kinder und Eltern spiegeln uns das bei den Präsentationen und in gemeinsamen Gesprächen wider.

Wann gilt für dich eine Projekt­woche als gelungen?
Dann, wenn sich alle Kinder in das Projekt eingebunden fühlen und die Zusammenarbeit mit den pädagogischen Fachkräften vor Ort gut funktioniert hat. Von dem Miteinander und dem Einblick in die Profession des anderen sollen alle gleichermaßen profitieren. Wenn alle Beteiligten die Zusammenarbeit als Chance für einen Lernprozess und ein Vorankommen in ihrer pädagogischen Arbeit wahrnehmen, dann kann eine solche Woche große Wirksamkeit entfalten.

Auch bei der Neuübernahme eines Ganztags an einer Schule durch SOCIUS kann eine Projektwoche zusätzliche Unterstützung bieten. Durch den Einsatz von außerschulischen Fachkräften kann das neue ErzieherInnen-Team entlastet werden, um sich der Teambildung und notwendigen Abstimmungen zu widmen. Entsteht am Ende ein toller Film, der bei der Einschulung gezeigt werden kann, ist das natürlich ein Gewinn.

Du legst viel Wert auf eine gute Dokumentation. Warum?
Aussagekräftige Fotos bündeln die Essenz der Arbeit – die Kreativität, die vielen Ereignisse auf dem Weg, die Anstrengungen, die Pannen und vor allem die tollen Ideen der Kinder. Wenn z. B. eine Tonspur wegen eines störenden Knackens noch einmal überarbeitet werden muss, dann fällt es den Kindern nicht leicht, ihren Text noch einmal zu sprechen, aber am Schluss freuen sie sich über die Beharrlichkeit und sind mit Stolz erfüllt.

Im Laufe der Jahre ist durch die Dokumentation eine beträchtliche Sammlung an Material zustande gekommen. Es hilft, die Projekte weiterzuentwickeln und auf den Erfahrungen aufzubauen und natürlich auch, neue Schulen dafür zu begeistern.

Welche Bedeutung hat deiner Meinung nach die Arbeit von KünstlerInnen an Schulen?
Ich sehe darin ein großes Potential. KünstlerInnen sind sehr geübt, sich selbst zu organisieren und ihr Leben kreativ zu gestalten. In der Regel verfügen sie über ein großes Netzwerk und scheuen weder Mühen noch Arbeit oder Fleiß, um ihre Ziele zu erreichen. Sie haben eine Vision und ihr tiefster Wunsch ist, dass sich diese materialisiert. Wenn sie das einem Kind gut vermitteln können, ihm dadurch Mut und Selbstvertrauen in seine eigenen Fähigkeiten geben, dann ist bereits sehr viel erreicht. Kindern und Jugendlichen kann so eine Haltung viel Wertschätzung und Orientierung geben.

Der Einsatz von Musik oder Bildender Kunst eignet sich außerdem hervorragend, um Sprachbarrieren zu überwinden, Angst vor kulturellen Unterschieden oder dem Anderssein abzubauen. Kreativität ist ansteckend und kann auf vielerlei Weise Brücken bauen.

 


int_karin_brunnermeierKarin Brunnermeier
Als Bildende Künstlerin und Projektmanagerin arbeitete sie international mit Bildungsinstituten, Galerien und Museen zusammen. Sie verfügt über Zusatzqualifikationen in Systemischer Beratung, Kunsttherapie und Sozialmanagement. Heute widmet sie sich der Entwicklung von kreativen Schulprojekten, u.a. als Bereichsleiterin für Bildungs- und Schulsozialarbeit bei Einhorn.
(Foto: Annette Koroll)

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