10.11.2020
Ein Artikel von Nicole Böhm.
Im Fokus unserer pädagogischen Handlungen stehen stets die verbalen Möglichkeiten der Gruppe. Wir formulieren Fragen für die Kinder und gestalten mit verschiedenen Materialien spontane und geplante Aktivitäten. Dazu zählen bspw. Spiele in der Turnhalle, Buch-Betrachtungen, das Körperteile-Lied, lebensgroße Porträt-Zeichnungen, Gefühle-Charts oder Achtsamkeitsübungen.
In der vergangenen Woche erarbeiteten die Kinder mit unserer Unterstützung die Stopp-Regel:
Wer darf mich anfassen?
Kann ich andere Kinder zum Mitspielen zwingen?
Darf ich “Nein” sagen?
Wie überhaupt kann man sich selbst helfen, ohne andere zu verletzen?
Wann sage ich “Stopp”?
Aktuell schaffen wir Aufgaben, in denen die Jungen und Mädchen ihren Körper, ihre Gefühle, ihre Interessen und Bedürfnisse kennenlernen und sprachlich zum Ausdruck bringen lernen. Um eine vertrauensvolle und kindgerechte Gesprächsebene zu kreieren, beziehen wir gern unsere Handpuppe in unsere Projektarbeit ein.
Ritter Rami, unser Maskottchen, soll immer öfter in die Rolle des Sprachvermittlers schlüpfen. Die Kinder lauschen gebannt „seinen“ Ideen und Ansprachen, sie bemühen sich um sein Wohlbefinden und haben Freude an gemeinsamen Spielaktionen und Sprachanlässen im Morgenkreis.
Doch vor einigen Tagen ging es Ritter Rami gar nicht gut! Während Ritter Rami den Kindern beim Porträtieren seiner selbst zusah, passierte ein kleines Missgeschick. Plötzlich war Ritter Ramis Gesicht mit einem leuchtend-blauen Strich im Gesicht versehen.
Die Kinder kamen im Sitzkreis zusammen. Neben dem traurig anmutenden Ritter Rami, lagen noch weitere Spielsachen auf dem Teppich. Die Spielkasse war geplündert, Geldscheine waren zerrissen und geknüllt. Einige Kinder sahen bestürzt auf die Spielsachen nieder. Ritter Rami richtete seinen Blick auf den Boden und brachte kein Wort mehr hervor. Was ist passiert? Niemand konnte etwas sagen!
Zusammen (Der Titel eines Reim-Bildbuches, welches wir einige Male betrachtet haben) überlegten wir nach Möglichkeiten für Wiedergutmachungen und verschiedenen Entschuldigungsformen. Schnell sollte es Ritter Rami wieder gut gehen! Da sich die Handpuppe zunächst an einen ruhigen Ort zurückziehen wollte, richteten einige Kinder einen Schuhkarton für ihn her. Neben einem Kissen und einer kleinen Decke, bekam er ein Pixi-Büchlein gereicht. Dann zog er sich zunächst in ein Fach in unserem Schränkchen zurück. Ein Türschild mit seinem Bild sowie einem “Stopp-Zeichen”, boten ihm einen sicherer Ort. In Sorge um ihren Ritter Rami schrieben und malten die Mädchen und Jungen zahlreiche Briefchen für ihn, welche sie in sein Kartonbett steckten.
Gerührt und glücklich über so viel Zuwendung, Verständnis und unermüdlichen Bemühungen, verließ Ritter Rami schon am nächsten Tag seinen Rückzugsort.
Neben der “Stopp-Regel”, welches jedes Kind nach seinen Bedürfnissen anwenden kann, lernten sie die “Magie der Wiedergutmachungen” kennen.
Wenn wir spielen und etwas kaputt geht, dürfen wir es jemandem sagen! Vielleicht können wir es gemeinsam reparieren.
Wenn wir versehentlich jemanden wehtun oder traurig stimmen, so tut es auch mir gut, wenn ich mich entschuldige!
Wenn ich mich um den anderen kümmere und helfe, mich mit netten Worten entschuldige oder mir eine wohltuende Überraschung einfallen lasse, so geht es auch dem anderen Kind schnell besser!
Auch wenn die Kinder verschiedene Muttersprachen sprechen, lernen sie von Tag zu Tag mehr übereinander. Sie erkennen gemeinsame Interessen, schließen Freundschaften, vereinbaren Regeln im Zusammenspiel und vieles mehr.
Wer sich in einer sozialen Gruppe wohlfühlt, Achtsamkeit und Vertrauen erfährt, einbezogen wird und mitbestimmen kann, lernt seine Bedürfnisse und Wünsche frei zu äußern und kann sich entspannt für sämtliche Anregungen und Aktivitäten begeistern. Außerdem füllt sich der eigene Wortschatz wunderbar leicht auf. Genial, oder? 🙂