Aktivitäten und Events

Phasen eines strukturierten Elterngespräches bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung

31.05.2018

Inhouse- Fortbildung „Aufwachsen im Wohlergehen“– schwierige Elterngespräche führen
31. Mai 2018

Annett Freudiger und Frances Fuhr

1. Phase: „Gesprächseröffnung“

  • Nenne den allgemeinen Anlass und das Ziel des Gespräches (Klärung der Ursachen, Suche nach gemeinsamen Lösungen, … ).
  • Stelle positiven Kontakt her und signalisiere den Eltern Vertrauen und Offenheit, indem Du betonst, dass Dir die Klärung am Herzen liegt.

 

„Ich möchte gern mit Ihnen sprechen, weil ich mir Sorgen um Ihr Kind mache, und mit Ihnen zusammen gute Wege und Lösungen für Ihr Kind suchen.“

2. Phase: Klärung des Sachverhalts/ „Ursachenforschung“

  • Überlege Dir einen Anfangssatz, mit dem Du das Elterngespräch beginnen willst. Dieser Satz sollte sich auf eine Beobachtung beziehen.

„Mir ist aufgefallen, dass …. „
„Ich bin in Sorge um Ihr Kind, weil ich beobachtet habe, dass …“
„Ich würde Ihnen gern schildern was ich beobachte und dann gern von Ihnen wissen, wie Sie die Situation beurteilen/wahrnehmen…“
„Wie können Sie sich die beschriebenen Veränderungen/Merkmale erklären?“
„Mir ist es wichtig zu wissen, wie Sie die Entwicklung Ihres Kindes beurteilen?“

  • Beide Seiten sollten dafür die Gelegenheit bekommen die gemeinsamen und unterschiedlichen Sichtweisen darzustellen und zu erklären. Alle Informationen werden zusammengetragen.
  • Vermeide in dieser Phase Bewertungen und Interpretationen. Das gegenseitige Zuhören und Nachfragen ist in dieser Phase von besonderer Bedeutung.
  • Sprich nicht gleich das Thema Verantwortung an; aus Sicht der Eltern ist dies das Thema Schuld! Wenn noch keine Vertrauensbasis besteht, könnte es passieren, dass sich die Eltern an diesem Punkt zurückziehen, sich verteidigen oder den Sachverhalt bagatellisieren
  • Häufig stellt sich der aktuelle Gesprächsanlass nur als “Aufhänger” für ein weit größeres Problem dar.
  • Erörtere gemeinsam mit den Eltern die bestehende(n) Problemlage(n). Wie sieht die Gesamtsituation der Eltern aus? Wo gibt es Ressourcen/wo fehlen Ressourcen? Was haben die Eltern bereits unternommen um die Situation zu bewältigen? Was hindert sie?

„Geht es Ihnen in der familiären Gesamtsituation gut? Gibt es Unterstützungsbedarfe?“
„Was haben Sie bisher probiert, um die Situation zu entlasten / etwas anders mit Ihrem Kind zu machen?“

3. Phase: Zielfindung

  • Wenn sich die Eltern für mögliche Hilfen geöffnet haben (Hilfeakzeptanz) und alle Beteiligten eine (ähnliche) Problemlage sehen (Problemkongruenz), können gemeinsame Ziele erarbeitet werden.
  • Bei Dissonanz hilft es, den Fokus verstärkt auf die Bedürfnisse und das Wohl des Kindes zu richten.
  • Kläre im Dialog die gemeinsamen und ggf. unterschiedlichen Ziele. Wie würden sich beide Seiten die Situation wünschen? Wer braucht was? Welche gemeinsamen Ziele sind akzeptabel, realistisch und machbar? (SMART-Ziele)

„Was müsste sich denn für Sie verändern damit sich die Situation zum Positiven verändert?“
„Was bräuchten Sie?“
„Können Sie sich vorstellen, was ihr Kind jetzt brauchen könnte?“
„Wie könnten wir Sie dabei unterstützen?“
„Wo müsste sich aus meiner Sicht als Fachkraft ganz dringend etwas verändern?“

  • Weise deutlich auf die Verantwortung hin, die die Eltern haben und der auch Du Dich verpflichtet fühlst. Mache deutlich, dass Du eine Fortführung der momentanen Situation ohne Veränderungen bzw. Mithilfe der Eltern nicht akzeptieren kannst.

„Es ist Ihre Aufgabe als Mutter, für das körperliche und seelische Wohl des Kindes zu sorgen.“

4. Phase: Lösung

  • Sammle gemeinsam mit den Eltern Ideen für die Bewältigung. Überlegt gemeinsam, ob die Lösungen durchführbar sind, was zur Lösung benötigt wird und welche Konsequenzen für die Beteiligten (Eltern, Kinder, LehrerInnen, ErzieherInnen) daraus erwachsen.
  • Wenn es hier Schwierigkeiten gibt, überlege, welche Maßnahmen verhandelbar sind oder ob es Alternativen zu den bisherigen Lösungen gibt.

„Welche Möglichkeiten gibt es für Sie?“
„Was geht für Sie? Was geht für Sie gar nicht? Warum nicht?“

  • Sichere den Eltern nur Dinge zu, auf die du selbst Einfluss hast.
  • Zeige den Eltern Hilfs- und Beratungsangebote auf.

„Vielleicht wäre folgendes Angebot… eine Möglichkeit für Sie.“

5. Phase: Entscheidung bzw. Vereinbarung

  • Triff mit den Eltern gemeinsame Vereinbarungen und sprecht konkrete Veränderungen ab.
  • Halte diese Vereinbarungen schriftlich fest (Protokoll, Vereinbarung mit Unterschrift der Beteiligten).
  • Lies die Vereinbarungen noch einmal laut vor, damit sie für alle Beteiligten eindeutig sind.
  • Vereinbare abschließend einen „Kontrolltermin“/Folgetermin zur Überprüfung der Erledigung der getroffenen Vereinbarungen.

„Gut, ich fasse jetzt noch mal das Ergebnis zusammen:
Welche Möglichkeiten sind uns eingefallen?
Was wollen Sie als nächstes und bis wann tun?
Was habe ich übernommen zu tun?
Ich würde mich gern mit Ihnen nach x Wochen dazu wieder austauschen: Wie nehmen wir Ihr Kind wahr? Bleiben noch Bedenken?“

  • Beende das Gespräch mit einem positiven Ausblick und einer persönlichen Verabschiedung.

Hinweis:

Im Kinderschutz ist es ausschlaggebend, dass die Gefährdung für das Wohl eines Kindes abgewendet wird. Können in Phase 2 – 5 keine akzeptablen Erkenntnisse oder Lösungen gewonnen werden, so muss das Gespräch ggf. abgebrochen werden.

Es stellt sich dann die Frage, ob das Gespräch auf einen neuen Termin verschoben werden kann oder ob das Verfahren die nächste Stufe erreichen muss (z.B. Meldung an das Jugendamt). Mache die Entscheidung transparent und begründe diese, sofern der Schutz des Kindes dadurch nicht gefährdet wird (Verdacht auf sexuellen Missbrauch durch die Eltern, akute Gefährdung/Krisensituation durch die Eltern).

„Auch wenn ich dann gegen Ihr Interesse handele, aber ich sehe mich in der Verantwortung, etwas zu unternehmen.“
„Ich werde beim Sozialpädagogischen Dienst des Jugendamtes anrufen. Sie sind zuständig für die Beratung von Familien und dafür, Hilfen zu organisieren.“
„Besser fände ich es, wenn Sie selber zum Jugendamt gingen. Hier geht es zunächst immer nur um eine Familienberatung.“

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